Die Entscheidung den Verkehrsversuch (VV) im März abzubrechen, löst bei allen Mannheimer*innen, die sich für eine zukunftsfähige Stadtentwicklung engagieren, allergrößtes Entsetzen aus. Beweist sie doch wieder mal, wie in dieser Stadt politische Entscheidungen getroffen werden: Es geht nicht um die Sachfragen, sondern um Machtbestrebungen einzelner Personen und Parteien. In diesem Fall: Die OB-Wahl steht an, da möchte sich die SPD schnell noch die Stimmen der Benzinjunkies sichern, indem sie sich entgegen ihrer früheren Aussagen gegen den VV stellt. Das sind strategische Manöver, die der Stadtgesellschaft schaden und die Partei unglaubwürdig macht.
Die Transformation der Innenstädte
... ist in vollem Gange. Und es ist unbestritten, in welche Richtung es gehen muss: Durch das veränderte Konsumverhalten müssen Innenstädte mehr Aufenthaltsqualität bieten. Es bedarf attraktiver öffentlicher Räume mit viel Grün, sicheren und einladenden Fuß- und Radverkehrsflächen, abwechslungsreicher gastronomischer und Geschäftsangebote sowie guter Luft. Diese Entwicklungsziele von Städten sind national und international anerkannt und werden von allen Städten angestrebt. Auch Mannheim ist das bewusst: die Stadt hat diverse Pläne und Programme aufgestellt, die diese Ziele verfolgen: Leitbild Mannheim 2030, Klimaschutzaktionsplan, Masterplan Mobilität 2035 [1, 2, 3]. Vor einigen Jahren lud man sogar das Büro von Jan Gehl, dem weltweit renommierten Stadtplaner ein, der Impulse für eine menschengerechte Weiterentwicklung Mannheims formulierte. Seine zentrale Empfehlung waren einladende öffentliche Räume [4].
Und nun das? Wie kann es sein, dass der zarte Versuch, die Innenstadt attraktiver zu gestalten, so plötzlich und unerwartet gestorben ist? Vor wenigen Wochen noch las man von den positiven Entwicklungen, die der VV generiert hat.
Wünsche von Mannheimer Bürger*innen (Foto: QuadRadEntscheid)
Es ist die Aufgabe und Pflicht der kommunalen Politik und Verwaltung, die Geschicke der Stadt zu lenken und dadurch eine bestimmte gewünschte Stadtentwicklung einzuleiten. Stadtentwicklungsziele stehen gelegentlich Individualinteressen einzelner oder auch einer Gruppe von Bürger*innen entgegen, jedoch hat die Kommune den Auftrag, die Stadtentwicklung zum Wohle und zur Teilhabe aller ihrer Bürger*innen zu steuern. Dazu braucht es Stärke und Standfestigkeit gegenüber kleinen, aber lauten Minderheiten. Diese Stärke ist in dieser Stadt offensichtlich nicht vorhanden, ein Armutszeugnis für Mannheim.
Das Primat des Kfz
Autofahrende werden seit Jahrzehnten in der kommunalen Planung privilegiert, was dazu führte, dass sie sich ihrer Privilegien - wie zum Bsp. der Unterordnung aller anderen Verkehrsteilnehmer*innen, größte Flächenzuweisung, zugeschnittene Infrastruktur, finanzielle Subventionierung auf Kosten von Nichtautofahrer*innen - gar nicht mehr bewusst sind und diese als selbstverständlich betrachten. Seit einigen Jahren wird versucht, die Fehler der letzten Jahrzehnte zu korrigieren, doch ist es sehr mühsam, diese zementierten Selbstverständnisse zu verändern. Da ist bisweilen eine gewisse Autorität seitens der Politik unumgänglich. Das „wir wollen die Bürger*innen mitnehmen“ bedeutet sonst nämlich, dem Autoverkehr darf keine Fläche und schon gar keine Parkplätze entzogen werden. Doch Mannheim ist schwach und manipulierbar, geht den Weg des geringsten Widerstands. Ihre selbst gesetzten Ziele opfert die Stadt wider alle Vernunft der Autofahrerlobby, hat nicht den Mumm, sich gegen stadtschädigende Schreihälse durchzusetzen.
Schon bei der Planung für den Speckweg, bei dem die Verwaltung eine gute Planung vorgelegt hatte, die dann aufgrund des Lamentierens von Handel und einzelner Anwohnenden, die um ihre Parkplätze fürchteten, zurück genommen wurde, offenbarte sich die Labilität der Stadt bzgl. der Durchsetzung gesamtgesellschaftlicher Interessen.
Der abgebrochene Verkehrsversuch setzt jetzt noch einen drauf.
Ade Fahrradstadt Mannheim!
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