Die IHK-Rhein-Neckar hat im Juni zusammen mit dem Handelsverband Nordbaden und der Werbegemeinschaft Mannheim City eine Online-Umfrage zum Mannheimer Verkehrsversuch in der Innenstadt durchgeführt. Dabei wurden rund 1800 Unternehmen zur Teilnahme eingeladen. Es kam zu 245 Rückmeldungen, rund 14 Prozent der eingeladenen Unternehmen [1]. Nun sind 14 Prozent nicht gerade viel und die Frage drängt sich auf, ob diese kleine Minderheit überhaupt das Meinungsbild der gesamten Unternehmen abbilden kann? Unter bestimmten Umständen ist das theoretisch möglich - Stichwort: Repräsentativität: Wenn diese 245 Teilnehmenden das gesamte Spektrum der rund 1800 Unternehmen hinsichtlich ihrer Eigenschaften (Branchenzugehörigkeit, Betriebsgröße, Umsatzstärke etc.) und hinsichtlich ihrer Einstellungen gegenüber des Verkehrsversuchs repräsentieren. Doch ist das bei dieser Umfrage der Fall? Es liegt nahe, dass an einer IHK-Umfrage zum Verkehrsversuch sich eher die Unternehmen beteiligen, welche sich mit Problemen um den Verkehrsversuch konfrontiert sehen oder gar verärgert über diesen sind. Diese tendenziell negativ dem Verkehrsversuch gegenüber eingestellten Unternehmen nehmen dann vermehrt an der Umfrage teil, sind damit überrepräsentiert und verzerren das Meinungsbild. Das Ergebnis der Befragung sieht dann für den Verkehrsversuch schlechter aus als es eigentlich ist, weil die weniger stark empörten Unternehmen tendenziell seltener teilnehmen und damit unterrepräsentiert werden.
Doch die fehlende Repräsentativität ist nicht das einzige Problem der Umfrage. Die Formulierungen mancher Fragen und die Unausgewogenheit der vorgegebenen Antwortmöglichkeiten weisen oft einige umfragemethodische Mängel auf. Zum Beispiel wird nach den Kriterien für den Erfolg des Verkehrsversuchs gefragt. Leider berücksichtigen die aufgeführten Kategorien nur einen Teilbereich möglicher Kriterien. So sind zwar sechs der neun Kategorien auf den Kfz-Verkehr konzentriert. Es ist jedoch auch gut denkbar, dass der Verkehr zu Fuß, mit Rad oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln („Laufkundschaft“) Kriterien für den Erfolg des Versuchs sein können. Themen wie die Aufenthaltsqualität, neue gastronomische Möglichkeiten, die Art der Einkaufserlebnisse und funktionierende Lieferzonen (um nur einige zu nennen, die einem eigentlich nach ein bis zwei Minuten Nachdenken einfallen sollten) werden ebenso nur unzureichend benannt und rücken dadurch aus dem Blickfeld der Befragten. Die befragten Unternehmen bekommen dadurch eine unvollständige und gelenkte Liste mit Kriterien vorgelegt, die den Rahmen für ihre Antworten vorgibt und damit beeinflusst. Diesem Umstand geschuldet sind die Ergebnisse der Umfrage dahingehend verzerrt, dass viele Teilbereiche nicht erfasst und damit unterrepräsentiert sind. Es gibt eine Reihe solcher handwerklicher Fehler, die die Interpretation der Ergebnisse stark erschweren, bisweilen sogar unbrauchbar werden lassen. Weiter werden immer wieder drohende Umsatzverluste ins Spiel gebracht, die den negativen Rahmen, in dem sich diese Umfrage bewegt, weiter verstärken und die Befragten beeinflussen können.
Die Spitze des Eisbergs - bei der letzten Frage ist dann schließlich alles schief gelaufen, was bei einer Frage schief laufen kann: negatives Framing („Umsatzverlust“), kein Zeitraum, der zum erst im März 2022 gestarteten Verkehrsversuch passt und das Ausblenden aller naheliegender Effekte zu Umsatzveränderungen in dieser Zeit wie bspw. die Corona-Pandemie oder die Inflation.
Umfrage ohne Aussagekraft
Was bleibt also? Die Ergebnisse der umfragemethodisch fehlerbehafteten Umfrage zeigen, dass einige Unternehmen sich ein vorzeitiges Ende des Verkehrsversuchs wünschen. In Anbetracht der skizzierten Schwachstellen kann daraus jedoch nicht geschlossen werden, dass ein Großteil der Unternehmen den Verkehrsversuch ablehnen oder sich gar einen sofortigen Abbruch wünschen, auch wenn dies der Mannheimer Morgen mit der Überschrift „Knapp die Hälfte der Inhaber für sofortigen Abbruch des Mannheimer Verkehrsversuchs“ suggeriert [2]. Vielmehr kann es auch gut sein, dass einige Unternehmen (und unter Umständen auch andere Personen dieser öffentlich zugänglichen Umfrage) ihrem Ärger über den Verkehrsversuch Luft gemacht haben und dabei durch das negative Framing und die beschränkten Auswahlmöglichkeiten der Umfrage auch noch weiter gegen den Verkehrsversuch angeheizt wurden.
Abschließend stellen wir uns angesichts der vielen handwerklichen Mängel die Frage, warum es der IHK Rhein-Neckar nicht gelungen ist, ein neutral erfasstes Meinungsbild des Handels einzuholen. Wurden einfach viele kleine Fehler an verschiedenen Stellen gemacht oder sollte aktiv und bewusst beeinflusst werden? Wurde die Umfrage lediglich dilettantisch erstellt oder sollte sie so manipulativ aussehen und durchgeführt werden, wie sie nunmal durchgeführt wurde? Wir wissen es nicht. Doch feststeht: Für die teilnehmenden Unternehmen war die Beantwortung leider reine Zeitverschwendung. Denn dass sich Unternehmen keine Umsatzverluste wünschen, wussten wir ja schon vorher.
Die IHK Rhein-Neckar vertritt offiziell die Interessen der ansässigen Unternehmen. Aber wie können die Interessen der Unternehmen vertreten werden, wenn bereits das Einholen der Meinungen zu einer bestimmten Thematik derart verzerrt erfasst wird? Ein neutral erfasstes Meinungsbild ist mit dieser Umfrage zum Verkehrsversuch leider nicht möglich. Woher kennt die IHK Rhein-Neckar die Interessen ihrer Mitglieder also? Und fühlen sich die Mitglieder durch die IHK Rhein-Neckar adäquat vertreten, wenn mit derartig zustande gekommene Umfragen Stimmung gegen ein Projekt gemacht wird, unabhängig davon, was die rund 1800 eingeladenen Unternehmen überhaupt wollen?