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Nebelkerze der IHK Rhein-Neckar

Die IHK Rhein-Neckar beklagt in einer Pressemitteilung die häufigen Demonstrationen in der Mannheimer Innenstadt [1]. Der Mannheimer Morgen übernimmt dies nahezu unreflektiert. [2] Auch in überregionalen Medien wird das Thema positioniert. [3]


Laut der Pressemitteilung erschwere die Vielzahl der Demonstrationen die Erreichbarkeit der Innenstadt und die Mobilität innerhalb der Innenstadt. Zudem würden die Demos von vielen als Bedrohung wahrgenommen.

Die Pressemitteilung verweist unmittelbar auf das (zum Zeitpunkt des Erscheinens) kommende Wochenende, an dem u.a. der von den Fridays for Future veranstaltete Klimastreik als auch der Parking Day, sowie die Kidical Mass stattfanden. Ausnahmslos alles Veranstaltungen, die durch eine ausgesprochen friedliche und familienfreundliche Atmosphäre geprägt sind.


Klimastreik am 20.09.2024 in den Planken, Bildquelle: im Hintergrund der Demozu, im Vordergrund Polizisten und Mütter mit kleinen Kindern und Kinderwagen die die Demo begleiten
Klimastreik am 20.09.2024 in den Planken, Bildquelle: QEM


Wir haben uns die Pressemitteilung der IHK im Detail angesehen


Manfred Schnabel, Präsident der IHK Rhein-Neckar schreibt:


"Die Versammlungsfreiheit ist ein wichtiges Grundrecht, das wir alle respektieren. (...) Grenzen sind erreicht, wenn andere Grundrechte berührt sind"


Das ist im weitesten Sinne nicht ganz falsch, allerdings findet das Recht, sich unter freiem Himmel zu versammeln (Artikel 8 des Grundgesetzes), nur dann seine Grenzen, wenn die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährdet ist. [4]


Desweiteren schreibt er:

"Die Häufung von Demonstrationen und ihr Charakter halten Menschen davon ab, sich in der City aufzuhalten und in Folge beeinträchtigen sie die Geschäftstätigkeit von Innenstadtunternehmen"


Das unbelegte Gefühl einzelner Gewerbetreibender, dass ihre Geschäftstätigkeit beeinträchtigt sei, stellt mit Sicherheit keine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung dar, somit ist es hanebüchen anzunehmen hier könne das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit (das Herr Schnabel ja nach eigenen Worten respektiert) gegen eine gefühlte Beeinträchtigung aufgewogen werden.


"Auch die Veranstalter sind gefordert. So können sie beispielsweise bei Zeitpunkt, bei Charakter der Kundgebung oder bei der Routenführung die Belange der Betriebe und Menschen in der Innenstadt berücksichtigen. Das wäre ihren Anliegen sogar dienlich."


Es ist unklar, wieso eine Änderung der genannten Punkte dem Anliegen der Veranstaltenden dienlich sein sollte. Es ist davon auszugehen, dass die Veranstaltenden aufgrund ihrer Erfahrung mit vergangenen Veranstaltungen und reiflicher Überlegung sich für den Zeitraum und die Route entschieden haben die ihrem Anliegen am dienlichsten erscheint.


Hendrik Hoffmann, Vizepräsident des Handelsverbands Nordbaden e. V. sagt:


"Die Kundschaft muss die Innenstadt erreichen können, ohne sich tagesaktuell informieren zu müssen, welche Straßen demonstrationsbedingt gerade gesperrt sind."


Die Mannheimer Innenstadt ist - gerade an Samstagen - unabhängig von demonstrationsbedingten Straßensperrungen mit dem Auto schlecht erreichbar.

Tatsächlich hilfreich wäre es, sowohl für die Gewerebtreibenden als auch für Anwohner*innen und Besucher*innen, die Innenstadt weitestgehend vom ruhenden und überwiegend ruhendem Verkehr zu befreien. Die Erreichbarkeit wird gesteigert, indem die Quadrate generell für den Durchgangsverkehr gesperrt werden, Parken nur in Ausnahmefällen (Anlieferzonen, Behindertenparkplätze, etc...) erlaubt wird und der motorisierte Individualverkehr gezielt in die ausreichend vorhandenen Parkhäuser geleitet wird (bei gleichzeitiger konsequenter Ahndung von Falschparken). Dadurch erhöht sich die Aufenthaltsqualität, die Menschen werden zum Bummeln und Verweilen eingeladen und erhöhen damit den Umsatz der Gewerbetreibenden.


Lutz Pauels, 1. Vorsitzender der Werbegemeinschaft Mannheim City e. V.:


"Die regelmäßigen Events in der Innenstadt stärken nicht nur die Wirtschaft, sondern zahlen auch positiv auf das Image der Stadt ein. Die vielen Demonstrationen und Veranstaltungen verbunden mit Sperrungen indes konterkarieren diese Ziele."


Ein seltsames Verständnis von Versammlungsfreiheit, das Herr Pauels, dessen Verein mit 100.000€ jährlich von der Stadt - und damit den Mannheimer Bürger*innen - (mit-)finanziert wird [5] hier äußert. Demokratie bedeutet auch, Versammlungen Andersdenkender und deren Meinung zu tolerieren, auch dann, wenn sie unbequem ist. Wenn Hr. Pauels andeutet, dass nur Veranstaltungen die seinem persönlichem Geschmack entsprechen stattfinden sollen, spricht er sich letztendlich gegen die wesentlichen, freiheitlichen und demokratischen Grundrechte aus.


Fazit


Das Argument, die Mannheimer Innenstadt müsse erreichbar sein (womit gemeint ist: muss durch den motorisierten Individualverkehr erreichbar sein) wird mantraartig von der IHK Rhein-Neckar und einigen Gewerbetreibende wiederholt. Nur die "Schuldigen" sind jedes Mal Andere. Mal ist es der Verkehrsversuch, der durch dilettantische Umfragen [6] diskreditiert wird, obwohl er tatsächlich von der Mehrheit der Besucher positiv eingeschätzt wurde [7], mal sind es Fahrradstraßen, jetzt sind es Demonstrationen.

Dass bestimmte Demonstrationen bei Innenstadtbesucher*innen ein gewisses Gefühl der Bedrohung erzeugen können ist nicht von der Hand zu weisen. Dass die Pressemitteilung jedoch unmittelbar vor vermeintlich "grünen" Versammlungen erscheint, die sich für eine Verkehrswende einsetzen, hinterlässt zumindest ein "G'schmäckle". In Bezug auf Versammlungen von vom Verfassungsschutz als Verdachtsfälle geführten Organisationen - bei denen tatsächlich eine begründete Gefahr besteht, dass die freiheitlich-demokratische Grundordnung abgelehnt wird - wurden diese Bedenken nicht geäußert.

Mit etwas Verspätung bläst auch die CDU Gemeinderatsfraktion ins selbe Horn [8], und fordert eine Einschränkung des Grundrechtes auf Versammlungsfreiheit. Immerhin ist die CDU so ehrlich den wahren Feind explizit zu benennen "Parking Day und Fridays for Future".

Auch den zitierten Herren dürfte klar sein, dass ihre Forderung nach Einschränkung des Versammlungsrechtes jeglicher rechtlichen Grundlage entbehrt. Es handelt sich dabei wohl eher um eine populistische Nebelkerze.

Die richtigen Schlüsse zu ziehen - dass der derzeitige motorisierte Individualverkehr das Problem, nicht die Lösung ist - dazu scheinen die IHK Rhein-Neckar und einzelne Gastronomen und Einzelhändler nicht in der Lage.


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