Nachdem in Mannheim falsch geparkte Kfz über Jahrzehnte hinweg von der Verwaltung rechtswidrig geduldet wurden, ist seit 2020 unerwartete Betriebsamkeit ausgebrochen. Nachdem das Verkehrsministerium Baden-Württemberg den Erlass zur Überwachung und Sanktionierung von Ordnungswidrigkeiten im ruhenden Verkehr [1] veröffentlicht hatte, vergingen nochmal ~12 Monate, in denen der Erlass weitgehend ignoriert wurde. Doch es wurde klar: wegschauen und ignorieren wird beim Thema Gehwegparken nicht mehr funktionieren.
Warum die Mannheimer Verwaltung erst auf rechtlichen Druck reagierte und nicht schon viele Jahre vorher auf die Idee kam, dass wildes, ungeahndetes Parken einen großen gesellschaftlichen Schaden verursacht, müßte man Christian Specht fragen. Das für die Duldung bzw. Ahndung zuständige Dezernat I war von 2007 - 2023 unter seiner Leitung.
Umsetzung Schillerplatz: einseitiges Gehwegparken geplant
Also machte sich die Verwaltung 2022, zwei Jahre nach Veröffentlichung des Erlasses auf den Weg, in Mannheim Stadtteil für Stadtteil das Gehwegparken neuzuordnen. [2]
Die Neuordnung innerhalb der Quadrate wurde quadrantenweise geplant und umgesetzt. Für den süd-westlichen Quadranten (Westliche Oberstadt), in dem auch der #Schillerplatz liegt, wurde folgender Plan an Anwohner*innen verteilt:
Auf dem Plan von Mai 2024 ist u.a. der Schillerplatz samt roter Markierung zu sehen:
Rot: Kein Parken
Gelb: Parken halbseitig auf Gehweg (Mindestrestbreite 1,5 m)
Grün: Parken am Fahrbahnrand
Für diese Planung gab es viel Zuspruch von Anwohner*innen. Gerade Anwohner*innen mit Kindern waren begeistert. Denn für Kinder ist es schwierig, innerhalb der Quadrate sicher über die Straße zu kommen, wenn diese beidseitig mit immer größeren Kfz beparkt ist.
Doch dann kommt alles anders: offenbar auf Betreiben von Christian Specht (CDU) wurde die Planung über den Haufen geworfen und beidseitiges Gehwegparken eingerichtet ohne die Bezirksbeiräte über die Änderung zu informieren. Auch nicht informiert über die Änderung wurden ADFC, FUSS e.V. oder QuadRadEntscheid.
Es ist leider nicht das erste Mal, dass Planungen zum Nachteil von Fuß- und Radverkehr kurzfristig und ohne Einbindung der Zivilgesellschaft von konservativen Kräften abgeändert wurden. Wir erinnern an die Änderungen am Radschnellweg im Neckarplatt und die Einrichtung einer Streckenführung, die nicht gültigen Standards eines Radschnellwegs entspricht [3].
Vermeintlicher Parkdruck sticht Sicherheit von Fuß- und Radverkehr
Es ist eine Schande, dass alle zaghaften Versuche, Mannheim lebenswerter zu gestalten von immer den gleichen Playern zerstört werden. Von der Verwaltung wird gerne von "Kompromissen" gesprochen. Doch können Kompromisse, die immer zu Lasten der gleichen Seite gehen, wirklich Kompromisse sein?
Offenbar wiegen die Schwierigkeiten von Kindern beim Kreuzen von Straßen oder auch Gefährdungen von Radverkehr, der in beide Richtungen zugelassen ist, weniger, als der Wunsch von Kfz-Halter*innen, ihr Auto möglichst nah vor der eigenen Haustüre abstellen zu wollen (siehe auch: Mythos "Parkdruck" [4]).
Auch dem Befahren der Gehwege von radfahrenden jüngeren Kindern (sowie deren begleitenden Eltern) wurde nicht genügend Beachtung geschenkt, obwohl der Schillerplatz auch einen vielfach genutzten Spielplatz enthält. Dooring-Unfälle und Gefährdung von Fußverkehr werden wissentlich in Kauf genommen. Die Implikationen in Hinblick auf Hitzestress sowie Lärmschutz innerhalb der Quadrate werden scheinbar in der Planung gar nicht mitgedacht.
Wir raten Anwohner*innen dazu, gegen das Anbringen der Parkmarkierungen durch die Verwaltung, Widerspruch einzulegen.
VisionZero bleibt unerreichbar
Erst kürzlich ließ ein Verwaltungsmitarbeiter beim Termin zur Neuordnung des Gehwegparkens in Schönau verlautbaren: "Wir haben die Absicht, das Maximale an Parkfläche herauszuholen, was möglich ist“. [5] Fast könnte man den Eindruck gewinnen, die Gruppierung "Schützt die Autos" habe die Verwaltung unterwandert.
Fest steht: #VisionZero wird für Mannheim unerreichbar bleiben, solange sinnvolle und notwendige Maßnahmen weiter sabotiert werden. Dies scheint politisch genau so gewollt zu sein. Wir zählen die Tage bis zum nächsten vermeidbaren Unfall mit Rad- oder Fußverkehr.
2024-07-24 16:43 Update: Der Artikel ist noch nicht veröffentlicht und da kommt via Pressemeldung der Polizei der nächste vermeidbare Verkehrsunfall mit einer lebensbedrohlich verletzten Radfahrerin rein. Eine Kfz-Fahrerin kam nicht ihrer Wartepflicht vor den geparkten Autos nach. [6]
Hoffentlich überlebt die verunfallte Radfahrerin und erholt sich bald von den Verletzungen. Und hoffentlich erkennen die Verantwortlichen bei der Stadt Mannheim, dass schlechte Infrastruktur wesentlich zu solchen Unfällen beiträgt.
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