"Schulstraßen sind Leuchttürme zur Förderung der sicheren und aktiven Kindermobilität. Und sie bieten ein enormes Potenzial für die Mobilitätswende, wie man an Beispielen in Paris sehen kann. Seit Sommer 2021 gibt es Schulstraßen-Aktionstage auch in Deutschland. Das Kidical Mass Aktionsbündnis hat das Konzept bundesweit verbreitet. Es hat das Konzept auf die Straßen gebracht und tausende Eltern und Kinder, Schulen, Anwohnende und Politiker*innen davon begeistert."[1]
Dagegen kann niemand etwas haben, auch in Mannheim nicht. Seit April kämpfen Schüler, Eltern und Lehrer der Rheinaugrundschule gemeinsam dafür, vor der Schule eine verkehrsberuhigte Zone einzurichten, in welcher zeitlich begrenzt durch Abwesenheit von Kfz ein sicherer Schulweg ermöglicht wird. 400 Unterschriften wurden im Oktober 2023 an Volker Proffen (CDU) überreicht - gefordert wird die Einrichtung versenkbarer Poller.
Die Idee ist so einfach, wie genial: Elterntaxis, gefährliche Situationen und Chaos werden verhindert und Kinder in ihrer Selbständigkeit gestärkt. Die Sperrung ist zeitlich begrenzt und damit für Autofahrende minimal invasiv, die Straße eben nicht dauerhaft, sondern lediglich temporär gesperrt.
Verwaltung hat Angst vor Klagen - Sperrung aus rechtlichen Gründen nicht möglich?
Nach der Welle der Begeisterung dann die Ernüchterung.
Der Mannheimer Morgen schreibt am 08.12.2023: "aus dem Rathaus ... die Absage: Die zeitweise Sperrung der Fahrbahn für den Autoverkehr sei aus rechtlichen Gründen nicht möglich." [2] Details zu den rechtlichen Gründen wurden nicht verraten und beim Mannheimer Morgen sah man offenbar keinen Grund, genauer nachzufragen und den Artikel mit Details zu ergänzen.
Die gleiche Nebelkerze schickte man auch dem Elternbeirat der Schule, welcher sich per Brief an die Verwaltung gewandt hatte. Die Antwort darauf: "Aus dem Büro des Oberbürgermeisters kam die Auskunft, man sehe aufgrund der fehlenden Rechtsgrundlage keine Möglichkeit, versenkbare Poller zu installieren.“ [3]
Volker Proffen (CDU), Dezernat I, äußerte Bedenken: "Es bringt ja nichts, wenn wir alles wieder abbauen müssen, wenn jemand gegen die Poller klagt." [2]
Ein Klagerisiko gibt es allerdings auch, wenn die Schulstraße nicht eingerichtet wird und ein Kind durch ein Kfz verunfallen sollte.
Gibt es wirklich keine rechtliche Grundlage? Ein Gutachten zeigt Optionen auf.
Doch ganz so einfach ist es nicht. Abbauen muss man solche Einrichtungen nicht, wenn jemand klagt. Wohl aber dann, wenn diese Klage Erfolg hat. Ob jedoch eine solche Klage Aussichten auf Erfolg hätte, muss in Zweifel gezogen werden:
Ein neues Rechtsgutachten des Verkehrsclub Deutschland (VCD) [4] zeigt vielfältige Möglichkeiten zur Einrichtung von Schulstraßen auf und legt nahe, dass im Gegensatz zu den bisherigen Aussagen aus dem Rathaus Mannheim, die Einrichtung einer Schulstraße sehr wohl rechtlich möglich ist.
Im Gutachten des Aktionsbündnisses Kidical Mass, des Deutschen Kinderhilfswerks und des Verkehrsclubs Deutschland heißt es dazu: "Im Straßenverkehrsrecht kommt es dabei darauf an, Straßensperrungen für Kfz anhand der örtlichen Gegebenheiten und gefahrenträchtiger Umstände gut zu begründen, da Maßstab grundsätzlich die qualifizierte Gefahrenlage ist. Es gibt jedoch im Umfeld von Schulen typischerweise vom Verordnungsgeber und der Rechtsprechung anerkannte Gefahren, die eine solche Begründung in vielen Fällen möglich erscheinen lassen. Daneben können auch ohne eine erheblich überdurchschnittliche Gefahr Sperrungen im Rahmen eines Verkehrsversuchs, zur Errichtung einer Fahrradstraße oder zur Unterstützung einer geordneten städtebaulichen Entwicklung angeordnet werden. Für letzteres ist ein entsprechendes städtebauliches Verkehrskonzept mit einem integrierten Schulwegeplan die Voraussetzung." [4]
Schulwegepläne für die Kinder und Eltern der Mannheimer Schulen gibt es. Auch für die Rheinaugrundschule liegt ein Schulwegeplan vor. [5]
Schluss mit Blockadehaltung und der Politik der langen Bank - es reicht!
Was in der Mannheimer Politik gut klappt ist, warme Worte auszusprechen. Was regelmäßig dann nicht mehr klappt ist, den Worten auch Taten folgen zu lassen. Allerdings sollte man Politiker am Ende an ihren Taten messen und nicht an ihren Worten.
In Mannheim gibt es das Projekt "Hand in Hand für einen sicheren Schulweg". Ein Kooperationsprojekt der Polizei und der Verwaltung über das Christian Specht sagte: "Im Umfeld von Schulen oder Schulwegen sind Verkehrsverstöße besonders gravierend, weil sie die jüngsten Verkehrsteilnehmerinnen und Verkehrsteilnehmer in Gefahr bringen." [6]
In seinem Wahlkampf und auch schon vorher im Rahmen der ABC-Schützen-Tournee, bei der "Erstklässler*innen für das richtige Verhalten im Straßenverkehr sensibilisiert werden, indem ihnen spielerisch der „Ernst der Straße“ vermittelt wird" [7], stellte sich Herr Specht als Kämpfer für die VisionZero dar.
Jetzt im neuen Amt als Oberbürgermeister ist es an der Zeit, Farbe zu bekennen und Maßnahmen ins Ziel zu bringen. Eine Blockadehaltung in Hinblick auf den Wunsch der beteiligten Akteure an der Rheinauer Grundschule sendet völlig falsche Signale. Statt die Verkehrswende in Mannheim weiter zu blockieren, sollte diese endlich in Angriff genommen werden - gerade auch in Hinblick auf die im MasterPlan Mobilität 2035 gesetzten Ziele.
Wir hoffen, dass sich Oberbürgermeister Christian Specht und der zuständige Fachbereich 31 zeitnah mit dem Rechtsgutachten beschäftigen und prüfen, ob es ihre Position bezüglich der Schulstraße verändert.
Das Gutachten legt nahe, dass eine Einrichtung machbar ist.
Komm zu uns auf Signal
Unser Dank gilt dem VCD, der in dieser Sache durch die Beauftragung des Rechtsgutachtens der Diskussion rund um Schulstraßen einen wichtigen Impuls liefert. Der VCD kann, genau wie der QuadRadEntscheid, durch Spenden unterstützt werden.