Ein sagenumwobener Begriff, der gerne in Debatten zur Verkehrswende in den Raum geworfen wird, ist das Wörtchen "Parkdruck". Doch was ist das eigentlich?
Vermutlich könnte man zu dem Thema eine Doktorarbeit verfassen, denn es ist nicht trivial Licht ins Dunkel zu bringen. Versucht hat dies 2021 Heike Sudmann (Die Linke), die am 12.08.2021 eine schriftliche kleine Anfrage zu dem Begriff an den Senat Hamburg gestellt hat mit dem Betreff Bewohner-/-innenparkgebiete: Wie wird der „Parkdruck“ definiert und ermittelt? [1]
Drucksache 22/5425 dokumentiert die Senatsantwort auf drei Seiten. "Parkdruck ist Ausdruck nicht ausreichender Stellplätze auf privatem Raum einerseits und andererseits der fehlenden Möglichkeit, ergänzend Stellplätze im öffentlich verfügbaren Raum zur Verfügung zu stellen." Klingt plausibel ist aber unwissenschaftlich. Danach werden die Erhebungskriterien erläutert und der Versuch einer Versachlichung unternommen. Eine Lektüre der Passage verdeutlicht allerdings schnell, dass die Erfassung intransparent und - da an nur 2 Tagen Daten erfasst werden - wenig repräsentativ sein dürfte. Die Folgefrage nach den festgelegten Schwellwerten wird so beantwortet, dass keine Schwellwerte festgelegt wurden und natürlich werden die Daten nicht veröffentlicht. Wo kämen wir hin, wenn politische Entscheidungen im Verkehrsbereich durch Daten untermauert und nachvollziehbar gemacht würden?
Das ganze Dokument ist eine empfehlenswerte und unterhaltsame Lektüre und ein wunderbares Zeitdokument und Lehrstück, um zu verstehen, wie Verwaltungen argumentieren.
Bei Frage 9 der Senatsanfrage wird nach vorhandenen Datenerhebungen bezüglich Bedarfen von Rad- und Fußverkehr gefragt. Für Mannheim gibt es dahingehend den Masterplan Mobilität 2035 [2]. In dessen Rahmen wurden öffentliche Workshops abgehalten, Daten erhoben und ausgewertet. In dem Kontext stellt sich die Frage, warum die Visualisierungssäulen der Radzählstellen auch im September 2023 noch nicht in Betrieb sind.
Zurück zum Thema: Ein Faktor kommt in der Debatte um den Nebelkerzenbegriff "Parkdruck" selten zur Sprache - die Tatsache, dass die Dimensionen von Kfz massiv gewachsen sind. Diese der Verkehrswende abträgliche Entwicklung findet bei kommunalen Verwaltungen keine Berücksichtigung bei der Gestaltung rechtlicher Rahmenbedingungen in Bezug auf eine zukunftsfähige Verkehrspolitik. Die Autoindustrie sollte ehrlicher sein hinsichtlich ihrer Produktentwicklung und den Bedarfen, die durch die angebotenen Modelle gedeckt werden sollen. Aus den überdimensionierten Geländelimousinen folgen Probleme für alle. Nicht nur sind durch die neuen Karosseriemaße Unfälle für schwächere Verkehrsteilnehmer*innen tödlicher [3]. Logischerweise verringert sich durch die Größe auch die Anzahl der Kfz, die im öffentlichen Parkraum abgestellt werden können.
Irgendwie symptomatisch für den deutschen Automichel: erst ein SUV-Schiff kaufen und dann im Nachgang darüber wundern, dass es schwieriger wird, einen Parkplatz dafür zu finden und nach Kauf festzustellen, dass das eigene Auto so breit ist, dass es nicht mehr in die eigene Garage passt.
Abgesehen vom absurden Flächenverbrauch ist das ausufernde Gewicht solcher Fahrzeuge ein großes Problem. In Mannheim gibt es diverse Ecken, an denen Gehwege großflächig zerstört sind, weil dort illegal und meist ungeahndet Gehwege beparkt werden.
Das ist in der Form nicht aktzeptabel und der erhöhte Flächenverbrauch, wie auch die Folgekosten zerstörter Infrastruktur durch illegales Gehwegparken müssen auf die Halter dieser Ungetüme umgelegt werden. Dass ein Parkausweis für einen Kleinwagen genauso viel kosten soll wie für einen 2,8 Tonner ist nicht vermittelbar.
Leider haben sich diesbezüglich die Verwaltungen in Baden-Württemberg selbst Schachmatt gesetzt. Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) vom 13.06.2023 [5] besagt, dass Gebührenordnungen nicht in Form von Satzungen aufsetzen dürfen, sondern nur als Rechtsverordnung. Das Land allerdings hat den Städten und Kommunen keine andere Wahl als eine Satzung gelassen. Nun muss also das Land die Rechtsgrundlage ändern, damit Städte Rechtsverordnungen erlassen können.
Das nächste Problem ist, dass der Bundesgesetzgeber zulassen müsste, dass Gebührenregelungen soziale Gesichtspunkte berücksichtigen dürfen.
Wenn man Deutschland kennt, ahnt man, dass es lange dauern wird, bis an diesen offensichtlichen Problemen und Gesetzesmängeln nachgebessert wird.
Heidelberg hat panisch reagiert und schlägt dem Gemeinderat vor, die Satzung aufzuheben und die Parkgebühren wieder auf 36 € / Jahr zu senken [6].
Noch absurder wird es, dass autolobbynahe Organisationen wie die Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen e. V. (FGSV) fordern, dass die Parkplätze mit den Autos mitwachsen sollen [7]. Das ist auf so vielen Ebenen falsch, dass man kaum weiß, wo man mit Erklären anfangen soll. Als Gedankenfutter: Dass Autos größer werden, ist kein Naturgesetz. Warum nun Städte den Autowahn auf die Spitze treiben sollten und dem ohnehin durch Lobbyismus massiv übervorteilten Kfz - entgegen allen wissenschaftlichen Erkenntnissen - noch mehr Flächen bereitstellen sollten, erschließt sich nicht. Diese wertvollen Flächen würden sinnvollerer Nutzung entzogen und die Lebensqualität gerade in Ballungszentren weiter gesenkt werden.
Verkehrswende rückwärts - sowas gibt es nur in Deutschland 🤦
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[1] https://buergerschaft-hh.de/parldok/dokument/76854/bewohner_innenparkgebiete_wie_wird_der_parkdruck_definiert_und_ermittelt.pdf [2] https://mannheim-gemeinsam-gestalten.de/masterplan
[3] https://spiegel.de/auto/fahrkultur/us-studie-suv-und-pick-up-trucks-haeufiger-in-abbiegeunfaelle-mit-passanten-verwickelt-a-9dcf6e76-0549-45cb-84e8-95c427c55ad9 [4] https://tuvsud.com/de-de/-/media/de/industry-service/pdf/event-downloads/is/bautechnik-aktuell-20211130/neue-richtlinie-bemessungsfahrzeuge---alfred-seitz-willibald-mueller.pdf [5] https://bverwg.de/pm/2023/47 [6] https://heidelberg.de/hd/HD/service/10_07_2023+bewohnerparken_+gerichtsurteil+macht+neue+rechtsverordnung+notwendig.html